Gehörlosensport

Allgemeine Infos
Fußball-Länderspiel
Leichtathletik-Sportfest
Zuschauerinteresse

 

Allgemeine Infos

Gehörlosensport wird in Deutschland vom DGS, dem Deutschen Gehörlosen-Sportverband organisiert. Dem DGS gehören 18 verschiedene Sparten an. Die deutschen Gehörlosensportler tragen in den einzelnen Sportarten ihre deutschen Meisterschaften aus, nehmen an Welt- und Europameisterschaften sowie den Deaflympics teil. Die Deaflympics sind die Weltspiele der Gehörlosen und wurden in Anlehnung an die olympischen Spiele und die Paralympics benannt. Die letzten Deaflympics fanden im Januar 2005 in Melbourne/Australien statt. Dort belegte Deutschland den achten Platz in der Nationenwertung.

 

Fußball-Länderspiel Deutschland - Tschechien am 2. Juli 2005 in Neckargemünd

Die neu formierte Projektgruppe besuchte am 2. Juli zum ersten Mal eine Sportveranstaltung der Gehörlosen. Im Rahmen der Feierlichkeiten zur 10järigen Partnerschaft zwischen dem Hör-Sprachzentrum Heidelberg/Neckargemünd und der tschechischen „Speciálni Skoly“ aus Prag fand im Neckargemünder Kurt-Schieck-Stadion ein A-Jugend-Fußballturnier statt, der Höhepunkt des Tages sollte jedoch das Aufeinandertreffen der Nationalmannschaften Deutschlands und Tschechiens werden.
Das A-Jugendturnier kann man als Innovation bezeichnen, denn zum ersten Mal fand ein Turnier statt, an dem sowohl Mannschaften aus Gehörlosenvereinen sowie herkömmliche Fußballmannschaften teilnahmen. Teilnehmende Vereine der Gehörlosen: GSV Heidelberg, GTSV Frankfurt und eine Mannschaft der Partnerschule aus Prag. Von den regionalen Vereinen der Hörenden waren Mannschaften der TSG Hoffenheim, der SG HD-Kirchheim und der örtlichen Spvgg Neckargemünd am Start. In der Gruppenphase blieben die Hörenden- und die Gehörlosen-Vereine unter sich und ermittelten die Teilnehmer am Endspiel (die jeweiligen Gruppenersten) sowie am Spiel um Platz drei (die Gruppenzweiten). Nachdem jede Mannschaft zwei Spiele absolviert hatte (jedes Spiel wurde über 2x20min ausgetragen), standen die Finalbegegnungen fest: Im Finale am späten Nachmittag würden sich der GTSV Frankfurt und die SG HD-Kirchheim gegenüberstehen, das Spiel um Platz drei würde zwischen dem GSV Heidelberg und der TSG Hoffenheim ausgetragen. Doch nach der Vorrunde hatten sich die teilnehmenden Vereine eine Mittagspause verdient und es stand das Länderspiel an.

Die Deutsche Nationalmannschaft hatte sich schon seit Mittwoch zu einem Vorbereitungs-Lehrgang in der Karlsruher Sportschule Schöneck aufgehalten und konnte so gut vorbereitet in das Spiel gehen. Natürlich galt die deutsche Nationalmannschaft als Favorit, nachdem sie im Januar bei den Deaflympics in Melbourne den dritten Platz erreicht hatte. Doch nach diesem internationalen Höhepunkt (der den olympischen Spielen der Nichtbehinderten und den Paralympics der körperlich Behinderten entspricht) hatten sich einige Stammspieler aus der Nationalmannschaft verabschiedet und so stand nun eine stark verjüngte Mannschaft auf dem Platz. Diese junge deutsche Mannschaft spielte bereits zu Beginn sehr selbstbewusst und ging in der 6. Minute nach einem Tor von Dennis Kluge (Hamburger GSV) in Führung. In den folgenden Spielphasen konnte man gut die spielerische Klasse des Landesliga-Stürmers Kadir Tatar erkennen, der einen Hattrick schaffte (24., 36. und 40. Minute). Eigentlich hätte die deutsche Nationalmannschaft beruhigt in die Halbzeitpause gehen können, doch sie musste kurz zuvor den Ausfall des Heidelbergers Waldemar Nikolaev verkraften, der wegen Foulspiels die rote Karte sah. Als kurz darauf auch ein Spieler der tschechischen Mannschaft dieses Schicksal traf, war das Kräfteverhältnis wiederhergestellt. In der zweiten Halbzeit nutze Bundestrainer Frank Zürn die Möglichkeiten zur Auswechslung und gab einigen jungen Spielern eine Chance. Debütant Benjamin Christ (GTSV Essen) bedankte sich für das Vertrauen des Bundestrainers und trug zwei weitere Tore zum 6:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft bei (78. und 84. Minute). Dass die Tschechen kein einziges Tor erzielen konnten ist auch ein Verdienst der beiden deutschen Torhüter. Bundestrainer Frank Zürn konnte mit seiner Mannschaft zufrieden sein und zuversichtlich dem nächsten Länderspiel, das eine Woche später in Darmstadt stattfand, entgegenblicken.


Für die Mitglieder der Projektgruppe war es sehr interessant dieses Fußballspiel zu beobachten. Sie stellten fest, dass es für Außenstehende eigentlich nicht zu erkennen ist, ob auf dem Spielfeld hörende oder gehörlose Sportler spielen. Der einzige Unterschied war, dass der Schiedsrichter zusätzliche zu seiner Pfeife noch eine Linienrichterfahne benutzte um Spielunterberechnungen anzuzeigen. Die meisten Spieler konnten jedoch aufgrund eines vorhandenen Resthörvermögens auch seine Pfeifsignale wahrnehmen.

Kurz nach dem Länderspiel stand das Spiel um Platz drei an, das die TSG Hoffenheim mit 10:0 sehr deutlich gegen den GSV Heidelberg gewinnen konnte. Zum Ergebnis des Endspiels können wir leider nichts sagen, da uns bis heute keine Ergebnisse vorliegen (falls das jemand vom HSZ lesen sollte: ist es wirklich so schwer die Ergebnisse auf die Homepage zu stellen?). Die großen Tordifferenzen allein auf die Gehörlosigkeit der unterlegenen Mannschaften zu schieben ist mit Sicherheit nicht angebracht. Ein ausschlaggebender Grund ist, dass es deutlich weniger gehörlose als hörende Jugendliche gibt und somit auch weniger gehörlose Fußballspieler. Die einzelnen Spieler der gehörlosen Mannschaften weisen deshalb auch sehr unterschiedliche spielerische Fähigkeiten auf. Außerdem waren viele Spieler der gehörlosen Mannschaften deutliche jünger als ihre Gegner.

Fazit der Veranstaltung:
- eine schöne, gut organisierte Veranstaltung
- faire Preise für Essen und Getränke
- Ergebnis des Länderspiels zeitnah im Internet veröffentlicht, Spielbericht etwas später
- Ergebnisse des Turniers wurden bisher noch nicht veröffentlicht (sechs Monate nach dem Turnier)
- leider gab es sehr wenige Zuschauer, obwohl kein Eintritt verlangt wurde. Auf was ist das zurückzuführen? Siehe
Zuschauerinteresse

 

Internationales Leichtathletik-Meeting am 8. und 9. Juli 2005 in Darmstadt

Am Freitag, 8. Juli machten sich Christian und Birgit gleich nach dem Unterricht auf den Weg nach Darmstadt. Es stand das 16. internationale Leichtathletik-Meeting der Gehörlosen an. Das Stadion, im Bürgerpark Nord gelegen, erreichten wir schon vor Beginn der Veranstaltung und konnten einen schönen Platz auf der (noch?) leeren Tribüne finden. Kurz darauf begann das Sportfest mit dem Einmarsch der Nationen. Angekündigt waren Sportler aus 20 Ländern. Leider fehlte die Mannschaft aus den USA unentschuldigt und die Sportler aus Polen durften aufgrund einer Sperre durch den europäischen Verband nicht teilnehmen. Somit nahmen folgende Nationen am Leichtathletik-Meeting teil: Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich Griechenland, Großbritannien, Kasachstan (als einiziges außereuropäisches Land), Lettland, Litauen, Russland, Schweiz, Spanien, Tschechien, Türkei, Ukraine, Weißrussland und als Gastgeberland Deutschland. Nach dem Einmarsch begrüßte Josef Scheitle (Vizepräsident für Leistungssport des DGS) alle Teilnehmer, Helfer sowie die wenigen Zuschauer, dann bat er um eine Schweigeminute für die Terroropfer der Anschläge in London. Auch der Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt, Herr Walter Hoffmann, war anwesend und richtete seine Grußworte an alle Anwesenden. Durch eine Gebärdendolmetscherin wurde es ermöglicht, dass alle Reden sowohl von hörenden als auch von gehörlosen Zuschauern verstanden werden konnten. Leider musste die Eröffnungszeremonie früher als geplant beendet werden, da ein Platzregen im nicht überdachten Stadion ausbrach. Zum Glück dauerte der Regen nur kurz an und die Wettkämpfe konnten beginnen. Den Auftakt machten die 100m-Vorläufe sowie das Diskuswerfen der Herren, das wie alle anderen Wurfwettbewerbe auf dem Nebenplatz ausgetragen wurde. Im Vorfeld der Veranstaltung hatten wir uns schon die Frage gestellt, wie wohl der Startvorgang bei den Gehörlosen ablaufen würde. Wir wussten, dass bei den Deaflympics in Melbourne spezielle Leuchten, die vorne am Startblock befestigt waren, zusätzlich zur Startpistole genutzt wurden, diese aber aus finanziellen Gründen in Deutschland nicht im Einsatz kommen. In Darmstadt kamen nur die gewöhnlichen Startpistolen zum Einsatz und trotzdem kam es wider Erwarten zu keinen Irritationen der Teilnehmer, deren Resthörvermögen für einen solch lauten Schuss ausreichend scheint. Der Zeitplan war sehr großzügig ausgelegt aber leider kam es trotzdem zu Verzögerungen: Die Zeitmessanlage streikte zeitweise und so wurden die folgenden Läufe verschoben. Als es weiter ging bekamen wir noch einige spannende Wettbewerbe geboten, unter anderem den Dreisprung sowie die 400m- und 1500m-Läufe der Damen und Herren. Den Abschluss des Tages machten die 4x100m Staffeln. Die deutschen Männer hatten bei den Deaflympics in Melbourne noch den 3. Platz hinter der Ukraine und Kuba belegt, nun gab es zumindest gegen die Ukraine eine Revanche. Die Deutschen, die in der gleichen Besetzung wie in Melbourne antraten, konnten sich überraschend deutlich in 43,86 sec gegen die Ukraine und die restlichen Nationen durchsetzen. Die deutschen Frauen, bei den Deaflympics noch 4. und nun mit einer Staffel aus international erfahrenen Athletinnen und Nationalmannschaftsdebütantinnen am Start, standen den Herren in nichts nach und gewannen souverän vor der Ukraine und Estland. Nach diesen Entscheidungen fanden noch einige Siegerehrungen statt, dann war der erste Wettkampftag beendet.

Für den nächsten Tag erwarteten die Sportler hohen Besuch: die Bundesministerin für Justiz, Frau Brigitte Zypries hatte sich angekündigt um im Namen der Bundesregierung Grußworte an die Teilnehmer zu richten. Nach Beendigung der Leichtathletik-Wettbewerbe am Samstag stand das Fußball-Länderspiel Deutschland - Irland auf dem Programm.

Fazit der Veranstaltung:
- es wurden keine Eintrittspreise erhoben
- hohe Preise für Essen und Getränke, Verpflegung fand nicht im Stadion sondern in einem Zelt außerhalb statt
- trotz großzügigem Zeitplan gab es Verschiebungen

- über die laufenden Wettbewerbe wurde nicht mit Lautsprecherdurchsagen informiert
- es wurden keine Ergebnisse der abgeschlossenen Wettbewerbe ausgehängt, Sieger sowie Platzierte und deren Leistungen wurden erst bei der Siegerehrung bekannt gegeben
- Ergebnisse, Bilder und weitere Infos wurden schon nach dem ersten Veranstaltungstag im Internet veröffentlicht
- es waren nahezu keine Zuschauer anwesend (noch weniger als eine Woche zuvor in Neckargemünd)

 

Zuschauerinteresse bei Gehörlosensport-Veranstaltungen

Zu beiden von uns besuchten Veranstaltungen des Gehörlosensports waren nur sehr wenige (nicht gehörlose) Zuschauer gekommen. Dies hat uns sehr verwundert. Natürlich wissen wir, dass das Zuschauerinteresse an Behindertensportveranstaltungen nicht so groß wie bei herkömmlichen Sportveranstaltungen ist. Trotzdem hatten wir erwartet bei diesen Veranstaltungen, die international besetzt waren und ein hohes sportliches Niveau verkörperten, mehr Zuschauer anzutreffen. Denn auch im Vergleich zu Sportveranstaltungen von körperlich Behinderten (z.B. Rollstuhlmarathon Heidelberg) waren es deutlich weniger Zuschauer. Nach etwas Recherche konnten wir auch schon einige Gründe finden:
- selbst viele Sportinteressierte wissen nicht, dass es überhaupt einen eigenständigen Sportverband der Gehörlosen und die zugehörigen Weltspiele, die Deaflympics, gibt.
- der Deutsche Gehörlosen-Sportverband hat deutlich weniger Mitglieder als der Deutsche Behindertensport-Verband, dadurch stehen ihm natürlich weniger finanzielle Mittel des Innenministeriums zu. Diese Gelder werden zum Großteil für die hauptamtlichen Mitarbeiter der Geschäftsstelle und die Realisierung von Veranstaltungen verwendet. Dadurch bleibt der Bereich Öffentlichkeitsarbeit weitgehend außen vor. Seit einiger Zeit gibt es zwar einen Vizepräsidenten für Öffentlichkeitsarbeit, dieser ist jedoch ehrenamtlich tätig und hat bei einem Verband mit 18 Fachsparten sehr viel Arbeit zu bewältigen.
- Gehörlose haben durch ihre Kommunikationsbehinderung oft Probleme mit der Kommunikation mit Hörenden, deshalb ist der Kontakt zu den Medien nicht sehr stark ausgeprägt. Dies zeigt sich auch dadurch, dass auf den Internetseiten der Städte Neckargemünd und Darmstadt nicht auf die Veranstaltungen hingewiesen wurde.
- das Medieninteresse ist äußerst gering, da oft die Meinung vertreten wird, dass Gehörlose in der Ausübung ihres Sports gegenüber Nichtbehinderten nicht benachteiligt wären.
Ein am 8. Juli 2005 im Mannheimer Morgen erschienener Zeitungsbericht zeigt aber auch, dass es zumindest ein minimales Interesse am Gehörlosensport gibt: Waldemar Nikolaev, Fußballnationalspieler